Montag, 9. Mai 2005

TECH TALK mit YELLO

yello

Yello sind mit ihrem typisch hyperaktiven Elektropop inzwischen seit über zwanzig Jahren in ihrer eigenen musikalischen Fahrrinne unterwegs. Obwohl das Schweizer Duo immer in einigem Abstand zu abgesteckten Genres musiziert hat, wird Yello in einem Atemzug mit Kraftwerk und ähnlichen Heroen als eine der Übervater der modernen elektronischen Musik genannt. Mit „The Eye“ haben Boris Blank (vater von carla blank *g*.....nur spaaaaaas :))))))))) und Dieter Meier nun wieder ein aktuelles Album vorgelegt, dass den typischen Yello-Sound in zeitgemässer Form reinszeniert und dank der Sängerin Jade Davies dabei sogar um eine Prise loungigen R&B erweitert.
Das Yello-Studio in Zürich müsste mit seinen Racks voller klassischer Analog-Synths, einem altwehrwürdigen Fairlight und einer über 20 Jahre gereiften Sampling-Library eigentlich als Ort der Tradition durchgehen, aber tatsächlich ist Boris Blank ein äusserst aufgeschlossener und vorwärts denkender Produzent, der konsequent auf Software setzt.

+Euer neues Album ist mal wieder eine typische Yello-Platte – sie klingt mit ihren R&B-Elementen modern und zeitgemäß, ohne sich an irgendwelche Trends anzuhängen. Wie würdest Du „The Eye“ im Bezug auf aktuelle Musikstile einordnen, oder ist Dir das überhaupt nicht wichtig?
Mir ist so eine Einordnung überhaupt nicht wichtig – ich habe beim Musikmachen nie nach links und rechts geguckt und bin in meinem Studio so etwas wie ein Eremit, abgeschnitten von der Außenwelt. Ich arbeite da tatsächlich wie ein Mönch in Klausur. Ich höre auch nicht sehr viel Musik, natürlich ab und zu ein paar Sachen im Autoradio, aber es gibt wenig gute Sender in der Schweiz. Ich arbeite die meiste Zeit wirklich sehr abgeschieden hier im Studio, wie ein Kind im Sandkasten, das die Musik zur Meditation braucht.

+Abgesehen von den typischen Latin-Elementen ist Deine Musik also ziemlich unbeeinflusst von anderen Stilen oder Künstlern?
Wenn ich mich von anderen Sachen beeinflussen ließe, wenn ich da versuchen würde irgendetwas zu kopieren, dann würde das ziemlich danebengehen. Ich kann nur genau das, was man auch auf unseren Platten hört – was ein mehr oder organisierter Dilettant also zustande bringt (lacht). Die neue Platte ist also auch nicht die Realisation eines bestimmten Konzepts, sondern einfach ein repräsentativer Querschnitt meines aktuellen Schaffens.

+Wie entsteht ein typischer Yello-Track? An welcher Stelle kommt Dieter Meier mit seiner Stimme ins Spiel?
Es ist nur ganz selten so, dass ich schon am Anfang weiß, wie ein Stück am Ende wirklich klingen wird – eigentlich nur dann, wenn ich eine Filmszene akustisch illustriere. Ansonsten fange ich einfach an, Punkte zu setzen wie ein Maler auf einer Leinwand. Ich lasse mich sehr oft von Klängen und Geräuschen durch ein Stück führen und so entsteht das Stück wie ein Patchwork – und am Ende steht dann ein Klanggebäude, das ich mir am Anfang noch gar nicht ausmalen konnte.

Ich arbeite auch ein bisschen wie ein Eichhörnchen – aber statt Nüsse sind auf meinem Rechner überall kleine Schatzkisten versteckt. Das sind lauter Ordner, in denen ich im Vorfeld immer schon bestimmte Fragmente, Sounds oder Skizzen sammele und dann bei Gelegenheit heraushole – so etwas habe ich auch schon wieder für einen anstehenden Film-Soundtrack vorbereitet.
Ich fange dann meistens mit einem Loop oder einem ähnlichen Rhythmusmuster an, dann kommen die Bässe und die perkussiven Sachen, weil die mich am meisten interessieren. Erst kurz vor Schluss, wenn die Basis schon steht, versuche ich mit meinen begrenzten musikalischen Möglichkeiten noch Harmonien zu dem Stück hinzuzufügen. Und wenn das Stück dann schließlich steht du so klingt wie es soll, dann wird Dieter [Meier] eingeladen. Er geht dann zur Schreibmaschine, schreibt spontan einen Text und entwirft Stimmfragmente, die dann zusammen besprochen und schließlich aufgenommen werden.

+Was steckt hinter dem typischen Yello-Sound, bei dem sich so viele kleine Details abspielen und trotzdem alles immer so transparent bleibt?
Ein kleines „Geheimnis“ ist wahrscheinlich, dass ich beim Abmischen schon immer eine Gefühl hatte für einen bestimmten transparenten Sound – für ein Klanggebäude, in das man als Zuhörer praktisch einsteigen und sich wohlfühlen kann. Ich gebe mir da wirklich sehr viel Mühe und trenne die Frequenzen so, dass es keine Überlagerungen und Interferenzen gibt, damit der Hörer sich vom Gesamtklang nicht „zugedeckt“ fühlt.
Zum anderen entsteht der „Yello-Sound“ wahrscheinlich aus meiner Vorliebe für gewisse Rhythmusfragmente, die vielleicht inzwischen sehr typisch nach Boris Blank klingen. Vielleicht hat es auch damit zu tun, dass ich keine Noten lesen kann und mich insgesamt eher wie Kind in diese ganzen Klang- und Soundtools eintüftele.


+Du hast ja ein sehr umfangreiches Studio mit einem großen Gerätepark. Welches Equipment ist für das neue Yello-Album vorrangig zum Einsatz gekommen?
Ich arbeite mit Logic Audio als Sequenzer und setze dazu viele Software-Instrumente wie Absynth und Reaktor ein. Und dann gibt es natürlich noch die ganzen alten Hardware-Synthesizer, die da auf ihren Gestellen herumstehen – der Arp Odissey, der Prophet 6000 - auch die setze ich noch ein. Dazu kommt noch mein Fairlight mit seiner riesigen Sample-Bibliothek. Daraus kommen immer wieder verschiedene Sounds zum Einsatz, die ich teilweise vor über 20 Jahren gehampelt habe und heute wieder recycle, indem ich sie mit Effekten und Plugins auffrische.
Es gibt heutzutage einfach ein so großes Angebot, so dass ich mich sehr bemühe, möglichst wenige Sounds „von der Stange“ zu benutzen – und selbst die werden dann noch bis zur Unkenntlichkeit weiterverarbeitet. Ich arbeite sehr viel im Makro-Bereich, indem ich den Sound gezielt verforme und verändere – das geht dann manchmal durch zwanzig verschiedene Effekt-Plugins. Das wird alles durch den Fleischwolf gedreht und kommt unten anders raus als es vorher geklungen hat.
Insgesamt kommen inzwischen bei meinen Stücken zu ungefähr zwei Drittel Software und zu einem Drittel Hardware-Klangerzeuger zum Einsatz.

+Welche NI-Software hast Du für das neue Album benutzt, und wie hast Du sie schwerpunktmäßig eingesetzt?
Ich verwende sehr oft den Absynth, das ist einer der genialsten Synthesizer überhaupt. Die Architektur und der Klang ist wahrscheinlich das Gescheiteste was ich jemals gesehen und gehört habe. Dann mache ich seit einiger Zeit viel mit Reaktor, vor allem mit den Rhythmus-Maschinen darin, mit denen ich sehr viel Material vorproduziere. Ich nehme Sachen über das Recording-Window in Reaktor auf, verfremde es, nehme es wieder auf – so arbeite ich dann step-by-step.
Den FM7 und die B4 finde ich sehr gut, ansonsten benutze ich noch Vokator, den Pro-53, und in Kontakt arbeite ich mich gerade ein. Das Spektral Delay finde ich sensationell, absolut genial.

+Hast Du schon eigene Ensembles in Reaktor erstellt?
Noch nicht, dazu war die Zeit bisher zu knapp. Man müsste in Finnland leben, damit man die langen Nächte ausnutzen kann – denn es ist total faszinierend, da einzusteigen. Die Möglichkeiten sind enorm, aber das Ganze ist auch sehr zeitaufwendig.

+Wie kriegst Du Deine Software-Klangerzeuger in den Griff, benutzt Du Hardware-Controller oder setzt Du noch ganz auf Maus und Tastatur?
Maus und Tastatur – ich habe ein starkes Handgelenk (lacht). Natürlich reizen mich diese Controller schon, aber das braucht dann wieder zwei Wochen Einarbeitungszeit, und die habe ich in letzter Zeit einfach nicht gehabt. In Kürze will ich mir so was aber mal besorgen.

+Musiksoftware im allgemeinen wird ja immer live-tauglicher. Reizt es Dich, den Yello-Sound in Zukunft auch live auf die Bühne zu bringen?
Nein, nicht wirklich, das ist mir zu komplex. Da auf der Bühne wie ein Pilot im Cockpit zu stehen – das sind ja Tätigkeiten, die nur mit Technik verbunden sind und bei mir nicht das Gefühl aufkommen lassen, dass ich da live mit den Hüften dazu wackeln kann. Ich glaube das sähe lächerlich aus – zwei Schnurbärte, die sich da auf der Bühne irgendwie rhythmisch bewegen (lacht).
Ich bin einfach eher jemand, der zu Hause seine akustischen Gemälde malt und das dann irgendwann zu einem Album verarbeitet und herausgibt, anstatt dass ich mich mit einem Laptop auf der Bühne exponiere.

+Du begreifst Dich also eher als Tüftler und vielleicht „akustischer Bildhauer“ statt als impulsiver Musiker?
Auf jeden Fall. Wobei ich schon gerne auf Konzerte gehe, wo es richtig abgeht – beispielsweise zu einer afrokubanischen Band, wo dann 18 Leuten auf der Bühne stehen. Oder auch auf gute Parties, aber da steht dann nur ein DJ der sich selber nicht so wichtig nimmt. Aber selber auf die Bühne zu gehen hat mich nie gereizt. Wir haben ja früher einige wenige Auftritte gehabt - in New York, in London und in Paris – aber ich habe einfach nie Zeit gehabt, mich auf der Bühne zu finden und da wirklich Spaß daran zu haben.
Ich sitze ja grundsätzlich beim Musikmachen immer hinter dem Computer, und das ist für mich nicht die Performance, wie sie jetzt ein Gitarrist bringen kann, der Freude am Live-Spielen hat und bei dem man das dann auch mitfühlen kann. Wenn ich in meinem Instrumentarium drinstecke, würde das Publikum von mir wohl nur meinen Kopf sehen oder meine Frisur...

+Hast Du Dich als Musiker mit dem Thema Musik-Downloads auseinandergesetzt?
Ich denke schon, dass die Musikindustrie dafür mitverantwortlich ist – die großen Plattenfirmen hätten sich schon vor 10 Jahren zusammensetzen müssen, um sich ein paar Gedanken darüber zu machen, welche Rolle das Internet in Zukunft spielen würde. Ich glaube, inzwischen lässt sich an der Situation nicht mehr viel ändern – ich denke dass die Zeit der großen Musikfirmen bald abgelaufen ist.

+Du verfolgst die technologische Entwicklung ja schon seit langer Zeit – wo wird es da demnächst hingehen, und was sind Deine Wünsche, was Software-Innovationen angeht?
Einen Laptop mit Kontakten direkt ans Gehirn und dann nur noch denken.... und dann die Musik gleich zu hören und zu sehen...

+Brain-to-Midi wäre also etwas für Dich....
Ja, schon. Wenn damals einer vorhergesagt hätte, dass man diesen Prophet-Synthesizer in zehn Jahren für unter 300 Euro als Software kaufen kann, und der dann auch nicht andauernd neu gestimmt werden muss - das hätte natürlich niemand geglaubt. So wird es weitergehen in Zukunft, dass immer neue Sachen kommen, die immer effizienter sind und die Leute auch immer individueller ansprechen.
Es ist auf jeden Fall diese Technologie, die mich fasziniert und irgendwie auch jung hält. Ich habe schon damals immer das Gefühl gehabt, dass die neuen Entwicklungen im Musikbereich einfach nicht zu stoppen sind. Als ich damals als junger Mann in diese Musikgeschäfte ging um die neuesten Synthesizer von Moog und Arp auszuprobieren, haben die Verkäufer immer schon zueinander gesagt: „Da kommt wieder dieser Spinner, der diese Synthesizer ausprobieren will... mach die Tür hinter ihm zu, damit wir in Ruhe weiter Kaffee trinken können“. Elektronische Klänge waren damals nach Meinung von solchen Leuten einfach keine Musik. So war es wahrscheinlich auch schon ganz früher, als man die Harfe waagerecht gesetzt hat und ein Spinett draus gemacht hat, und dasselbe dann beim ersten Klavier, bei der E-Gitarre....

+Glaubst Du, dass Du in absehbarer Zeit komplett mit Software arbeiten wirst, oder hängst Du noch sehr an Deinen alten Synthesizern?
Ich schaue hier in meinem Studio natürlich oft wehmütig auf die verstaubten alten Synthesizer, die da noch ihrer Tage harren, aber ich kann mir gut vorstellen, auch nur mit einem Laptop voller Software und einem Paar Aktivboxen eine Platte zu machen. Native Instruments ist da tatsächlich die Firma, die mich da in den letzten Jahren am meisten überrascht hat – durch die Hartnäckigkeit und Professionalität, mit der diese ganze innovative Software entwickelt wurde. Wahrscheinlich hat inzwischen sogar der Herr Moog ein neidisches Auge auf euch geworfen...

+Das müsste man ihn mal fragen... wie wird denn das nächste Yello-Album klingen? Hast Du schon Material, von dem Du weißt, dass Du es dafür verwenden wirst?
Das ist alles noch ganz offen. Ich arbeite ja wie ein Maler in einem Atelier, und wenn dann mal wieder sechzig „Bilder“ fertig sind, dann wähle ich davon fünfzehn aus, die mir am besten gefallen, die werden dann besungen und kommen zu einer Vernissage in die „Galerie“, also auf eine CD. Ich sammele einfach Bilder, bis ich das Gefühl habe das kein Platz mehr da ist - dann müssen die eben raus.
Philippe La PlastiQue - 10. Mai, 15:09

*haha*

noch nie was davon gehört... geil!

carla blank - 11. Mai, 12:07

mann spricht mir aus der seele.......würde gerne in seinen sandkisten spielen grins

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