Die Rente ist sicher... und die Party?
Aufmerksame Clubgänger wissen, dass die Feierei mit 30 nicht aufhören muss. Nicht einmal mit 40. Partygänger über 50 sind noch die absolute Ausnahme, aber auch das könnte sich ändern. Nicht? Doch! Schließlich hätte vor nicht allzu langer Zeit auch ein 40-Jähriger am Tresen eines Clubs irritierte Blicke auf sich gezogen. Heute ist das in manchen Locations Alltag.
Mit 60 muss aber wirklich Schluss sein. Möchte man meinen. Der Tenor unter denjenigen, die die Verrentung in etwa 20 oder 30 Jahren erwarten, ist nach unseren Recherchen aber vielschichtig. Manch einer steht nur noch am bewussten Clubtresen, weil er auf der Suche nach dem Partner fürs Leben ist, um im Erfolgsfall auf die Straße „Partner/Kind/Auto/Haus“ abzubiegen. Aber auch ein trotziges „Ich will niemals aufhören!“ ist zu vernehmen.
Vorbild für die Jugend: Feiern bis zum Umfallen. Mehrere Party-Oldies rotten sich im Clubgarten zusammen und der Spätsommerabend an, aber nicht in einem Sonntag im August, wird zur Kulisse einer Strategie-Sitzung. „Dröhnende Beats“ und „wummernde Bässe“ können nicht mehr zum Tanzen mit den anderen „zuckenden Körpern“ locken, denn einer wirft den Plan eines „Raver-Altersheims“ in die Runde. Jetzt brennt’s!
Das Schicksal der eigenen Großeltern wird mehrfach zitiert und bedauert, dass diesen ohne Beachtung ihrer Hobbies, ihrer Vorlieben, ihrer Freundschaften bei Pflegebedürftigkeit nur ein Ziel bleibt: Das Altersheim um die Ecke, bei ordentlichen Sparkonto vielleicht noch die VIP-Version davon, eine „Seniorenresidenz“. Aber kann man da feiern?
Die Horrorvision des nachmittäglichen Tanztees (musikalische Begleitung: das Duo „Abendfreude“ mit Wersi-Orgel und Quetschkommode) gibt den Beteiligten Kraft und Motivation, konkrete Pläne für eine Alternativlösung aufzustellen: Ein Party-Heim soll es sein, eigenfinanziert, am Rande von Berlin im Grünen. Im Keller eine fette Anlage. Im Garten auch. Keine Nachbarn, die stören. Ein paar fest angestellte Pflegerinnen, die den zittrigen Alten das Drehen der Joints abnehmen (was zu diesem Zeitpunkt legal sein wird). Je nach Pflegestufe legt der DJ im Stehen auf oder wird im Rolli an die Turntables geschoben. Feiern bis zum Umfallen eben. Einfach nur cool.
Die Sonne hat sich inzwischen verabschiedet, am Himmel funkeln die ersten Sterne und der Fernsehturm. Die „wummernden Beats“ und „dröhnenden Bässe“ werden immer lauter – das weckt die Party-Oldies aus ihrer Träumerei. Gemeinsam holen sie sich ein Bier und machen sich an die „zuckenden Körper“ ran. Die Besprechung ist beendet mit dem einstimmigen Beschluss, ab Montag in die Riester-Rente einzusteigen, so wie es die Bundesregierung empfiehlt. Schließlich hängt vorm Club ein riesiges Aufklärungsplakat mit faltigen DJ-Händen und der Überschrift: „Man wird schneller älter als man denkt.“ Man weiß ja jetzt wofür.
Old Raver. Und sie feiern weiter...
Partygänger über 30 waren früher die Ausnahme. Sie gehören heute zum Cluballtag.
Wer in den 60er Jahren auf ein Rolling Stones-Konzert ging, war jung und im Herzen Revoluzzer. Die Stones spielen immer noch und die Fans von damals stürmen auch heute unverdrossen die Arenen und Hallen. Sie sind inzwischen 50 oder 60, wie ihre Idole. Sie können sich sogar die Eintrittspreise leisten. Sie sind Lehrer oder Anwälte. Revolution ist das nicht mehr. Es ist normal. Normal geworden. Als in den 80er und 90er Jahren Techno aufkam, galt Techno als neue Jugendkultur. Die Spaßgeneration, hieß es da, macht sich breit. Inzwischen schreiben die meisten Mainstream-Blätter nicht mehr über Techno und wenn, dann nur, um die Formel „Techno ist tot“ mit Schadenfreude zu wiederholen. Ihnen entgeht, dass sich in der Clubszene der gleiche Prozess abspielt, wie unter ihresgleichen, der Generation Rock’n’Roll: Techno wird immer älter, die Technoiden aber auch.
Clubgänger über 30, teils über 40 hätten vor nicht allzu langer Zeit noch als Paradiesvögel gegolten oder als Gestörte. Sie gehören heute zum Stammpublikum in den Clubs. Sie sind diejenigen, die vor 10 Jahren einen 35-jährigen Clubgänger für einen Dealer oder Zivi, einen geilen Bock auf der Suche nach Frischfleisch oder für den Clubbesitzer gehalten hätten. Aber jedenfalls nicht für „normal“. Was denkt die „Generation Next“ heute von ihnen?
„Entweder passt einer rein oder nicht.“
Cordi und Kati sind um die 20 und seit ein paar Jährchen in den Berliner Clubs unterwegs. Über ältere Partygäste haben sie sich bisher kaum Gedanken gemacht, bis wir sie darauf ansprachen. „Entweder passt einer rein oder nicht!“, ist ihr Statement. „Man sieht das doch, wenn einer nicht dazu gehört und nur zum Baggern rumsteht.“ Ein wirkliches Problem haben aber beide nicht mit Älteren. „Im Kuhdorf vielleicht, da gibt es solche Typen, in normalen Discos.“ In den Techno- und Houseclubs dagegen fallen den beiden nur Einzelerscheinungen auf: Ein langhaariger mit Pferdeschwanz, der „ziemlich eklig“ ist, zum Beispiel. Aber generell: Kein Problem mit Altravern. „Warum, wenn sie dazu gehören?“
„Die Jüngeren sind eher praktisch angezogen.“
Sven ist 24 und gerade von seiner dritten Streetparade aus Zürich zurück gekommen. Er ist voll des Lobes über „Altraver“: Gerade die sind es gewesen, sagt er, „die bei der Kostümwahl die größte Kreativität gezeigt haben.“ Pärchen in S/M-Outfit und aufwändige Verkleidungen hat Sven bei den Älteren gesehen. In seinem Alter waren die Besucher „eher praktisch“ angezogen: T-Shirt, Jeans, Sneakers. Fertig.
Sind die Technoiden der ersten Stunde tatsächlich so gut integriert? Natürlich sind viele nicht mehr nachts unterwegs. Für viele war Techno eine Phase, ein Lifestyle auf Zeit. Jetzt zählen andere Dinge. Die Karriere vielleicht, die Familie. Aber unübersehbar ist: Viele sind auch heute noch unterwegs. Viel mehr als noch vor ein paar Jahren. Und teilweise mit einer Feiererfahrung von 20 Jahren. Das ist soviel, wie manch anderer auf der Tanzfläche an Lebensjahren zusammenbringt.
„Feiern gehört zum Lebensstil.“
Patrick hat seinen 40. Geburtstag noch nicht direkt vor sich, aber in Sichtweite. Auch ihm ist aufgefallen, dass das Publikum im Schnitt älter wird – mit ihm. So sehr, dass dieses Phänomen zum Gesprächsthema wurde. „Wir haben schon häufig unter gleichaltrigen Freunden darüber gesprochen: Feiern gehört für uns mit zum Lebensstil. Ich glaube nicht, dass man sich das verbieten lassen sollte, nur weil die Gesellschaft sagt: Jetzt bist du 30 oder 35, du darfst das nicht mehr.“ Dennoch macht sich Patrick Gedanken darüber. Vielleicht, weil es in seinen jüngeren Jahren so unüblich war mit Älteren konfrontiert zu werden.
Auch wenn er mit allen anderen Altersklassen im gleichen Club steht und die gleiche Musik hört: Etwas ist doch anders. „Man geht bewusster weg, auch nicht mehr jedes Wochenende. Nicht mehr diesen Marathon, von Freitag bis Montag ohne Pause und das jedes Wochenende. Das machen von den Älteren eigentlich nur Leute, die die Kurve nicht gekriegt haben. Aber mal richtig Gas geben, das ist schon ok.“
„Ich will’s nicht mehr erzwingen.“
Da klingt Zufriedenheit durch. Zufriedenheit, die Kurve gekriegt zu haben und zu sehen: Es ist nicht etwa so, dass man nur ein paar Jahre feiern kann, ohne sich kaputt zu machen. Und doch mischt sich etwas Wehmut unter die Zufriedenheit: „Ich will’s nicht mehr erzwingen. Ich bin eher bereit zu sagen: Wenn’s jetzt nicht der Tag, der Augenblick ist, dann halt nicht. Dieses aufgeregt sein vorm Weggehen, das fehlt mir schon ein bisschen. Es kommt in Phasen noch mal wieder, aber nicht zu oft und nicht allzu prägnant – leider.“
Freitag abends um acht nervös vor dem Spiegel stehen, zehn Mal den Plan zu verwerfen, was man anzieht, zwischendurch ein Dutzend Anrufe in Sachen Nachtplanung. Das totale Kribbeln vor dem Wochenende ist weg, es scheint den Jüngeren vorbehalten.
„Das geht aber nur in Berlin.“
Svenja (39) genießt das. „Im Sommer gehe ich gar nicht mehr nachts um die Häuser. Ich starte Sonntag nach dem Frühstück, mit meinen Freundinnen.“ Damit fehlt ihr keine Nacht und am Montag sitzt sie fit am Schreibtisch in ihrer Sparkasse in Mitte. Ist das Feierstyle in der Tradition des Frühschoppens nach dem Gottesdienst? Eine Afterhour ohne ein Davor. Svenja lacht: „Du solltest mich mal sonntags gegen Abend sehen, das ist echt Alarm!“ Das, schiebt sie noch hinterher, „geht aber nur in Berlin. Ich komme eigentlich aus Bielefeld und da würden sich die Leute nur das Maul zerreißen.“
Wir haben gefragt und gefragt und gefragt: Elektronische Musik, laut. Neue Bekanntschaften, mit Individualisten. Das sind die zwei Dinge, die Partygänger über 30 und 40 weiter in die Clubs ziehen. Darauf kommt es allen an.
„Plötzlich Oper, nur weil ich älter bin?“
„Musik ist ein integraler Bestandteil meines Lebens,“ sagt Patrick. „Tanzen macht Spaß. Leute kennen lernen macht Spaß. Und vor allem: Welche Alternativen dazu tun sich auf? Plötzlich Oper, nur weil ich älter bin? Und wenn schon, man kann ja beides machen: Oper und Feiern.“
Die „Generation Techno“ scheint nicht zu existieren. Dafür sind schon zu viele Generationen in die Clubs gekommen – und geblieben. Die stört es wenig, wenn andere schreiben, Techno sei tot. „Wer von denen war überhaupt schon mal in einem Club?“, fragt Svenja. Wohl die wenigsten. Und vielleicht ist das ja auch gut so.
Mit 60 muss aber wirklich Schluss sein. Möchte man meinen. Der Tenor unter denjenigen, die die Verrentung in etwa 20 oder 30 Jahren erwarten, ist nach unseren Recherchen aber vielschichtig. Manch einer steht nur noch am bewussten Clubtresen, weil er auf der Suche nach dem Partner fürs Leben ist, um im Erfolgsfall auf die Straße „Partner/Kind/Auto/Haus“ abzubiegen. Aber auch ein trotziges „Ich will niemals aufhören!“ ist zu vernehmen.
Vorbild für die Jugend: Feiern bis zum Umfallen. Mehrere Party-Oldies rotten sich im Clubgarten zusammen und der Spätsommerabend an, aber nicht in einem Sonntag im August, wird zur Kulisse einer Strategie-Sitzung. „Dröhnende Beats“ und „wummernde Bässe“ können nicht mehr zum Tanzen mit den anderen „zuckenden Körpern“ locken, denn einer wirft den Plan eines „Raver-Altersheims“ in die Runde. Jetzt brennt’s!
Das Schicksal der eigenen Großeltern wird mehrfach zitiert und bedauert, dass diesen ohne Beachtung ihrer Hobbies, ihrer Vorlieben, ihrer Freundschaften bei Pflegebedürftigkeit nur ein Ziel bleibt: Das Altersheim um die Ecke, bei ordentlichen Sparkonto vielleicht noch die VIP-Version davon, eine „Seniorenresidenz“. Aber kann man da feiern?
Die Horrorvision des nachmittäglichen Tanztees (musikalische Begleitung: das Duo „Abendfreude“ mit Wersi-Orgel und Quetschkommode) gibt den Beteiligten Kraft und Motivation, konkrete Pläne für eine Alternativlösung aufzustellen: Ein Party-Heim soll es sein, eigenfinanziert, am Rande von Berlin im Grünen. Im Keller eine fette Anlage. Im Garten auch. Keine Nachbarn, die stören. Ein paar fest angestellte Pflegerinnen, die den zittrigen Alten das Drehen der Joints abnehmen (was zu diesem Zeitpunkt legal sein wird). Je nach Pflegestufe legt der DJ im Stehen auf oder wird im Rolli an die Turntables geschoben. Feiern bis zum Umfallen eben. Einfach nur cool.
Die Sonne hat sich inzwischen verabschiedet, am Himmel funkeln die ersten Sterne und der Fernsehturm. Die „wummernden Beats“ und „dröhnenden Bässe“ werden immer lauter – das weckt die Party-Oldies aus ihrer Träumerei. Gemeinsam holen sie sich ein Bier und machen sich an die „zuckenden Körper“ ran. Die Besprechung ist beendet mit dem einstimmigen Beschluss, ab Montag in die Riester-Rente einzusteigen, so wie es die Bundesregierung empfiehlt. Schließlich hängt vorm Club ein riesiges Aufklärungsplakat mit faltigen DJ-Händen und der Überschrift: „Man wird schneller älter als man denkt.“ Man weiß ja jetzt wofür.
Old Raver. Und sie feiern weiter...
Partygänger über 30 waren früher die Ausnahme. Sie gehören heute zum Cluballtag.
Wer in den 60er Jahren auf ein Rolling Stones-Konzert ging, war jung und im Herzen Revoluzzer. Die Stones spielen immer noch und die Fans von damals stürmen auch heute unverdrossen die Arenen und Hallen. Sie sind inzwischen 50 oder 60, wie ihre Idole. Sie können sich sogar die Eintrittspreise leisten. Sie sind Lehrer oder Anwälte. Revolution ist das nicht mehr. Es ist normal. Normal geworden. Als in den 80er und 90er Jahren Techno aufkam, galt Techno als neue Jugendkultur. Die Spaßgeneration, hieß es da, macht sich breit. Inzwischen schreiben die meisten Mainstream-Blätter nicht mehr über Techno und wenn, dann nur, um die Formel „Techno ist tot“ mit Schadenfreude zu wiederholen. Ihnen entgeht, dass sich in der Clubszene der gleiche Prozess abspielt, wie unter ihresgleichen, der Generation Rock’n’Roll: Techno wird immer älter, die Technoiden aber auch.
Clubgänger über 30, teils über 40 hätten vor nicht allzu langer Zeit noch als Paradiesvögel gegolten oder als Gestörte. Sie gehören heute zum Stammpublikum in den Clubs. Sie sind diejenigen, die vor 10 Jahren einen 35-jährigen Clubgänger für einen Dealer oder Zivi, einen geilen Bock auf der Suche nach Frischfleisch oder für den Clubbesitzer gehalten hätten. Aber jedenfalls nicht für „normal“. Was denkt die „Generation Next“ heute von ihnen?
„Entweder passt einer rein oder nicht.“
Cordi und Kati sind um die 20 und seit ein paar Jährchen in den Berliner Clubs unterwegs. Über ältere Partygäste haben sie sich bisher kaum Gedanken gemacht, bis wir sie darauf ansprachen. „Entweder passt einer rein oder nicht!“, ist ihr Statement. „Man sieht das doch, wenn einer nicht dazu gehört und nur zum Baggern rumsteht.“ Ein wirkliches Problem haben aber beide nicht mit Älteren. „Im Kuhdorf vielleicht, da gibt es solche Typen, in normalen Discos.“ In den Techno- und Houseclubs dagegen fallen den beiden nur Einzelerscheinungen auf: Ein langhaariger mit Pferdeschwanz, der „ziemlich eklig“ ist, zum Beispiel. Aber generell: Kein Problem mit Altravern. „Warum, wenn sie dazu gehören?“
„Die Jüngeren sind eher praktisch angezogen.“
Sven ist 24 und gerade von seiner dritten Streetparade aus Zürich zurück gekommen. Er ist voll des Lobes über „Altraver“: Gerade die sind es gewesen, sagt er, „die bei der Kostümwahl die größte Kreativität gezeigt haben.“ Pärchen in S/M-Outfit und aufwändige Verkleidungen hat Sven bei den Älteren gesehen. In seinem Alter waren die Besucher „eher praktisch“ angezogen: T-Shirt, Jeans, Sneakers. Fertig.
Sind die Technoiden der ersten Stunde tatsächlich so gut integriert? Natürlich sind viele nicht mehr nachts unterwegs. Für viele war Techno eine Phase, ein Lifestyle auf Zeit. Jetzt zählen andere Dinge. Die Karriere vielleicht, die Familie. Aber unübersehbar ist: Viele sind auch heute noch unterwegs. Viel mehr als noch vor ein paar Jahren. Und teilweise mit einer Feiererfahrung von 20 Jahren. Das ist soviel, wie manch anderer auf der Tanzfläche an Lebensjahren zusammenbringt.
„Feiern gehört zum Lebensstil.“
Patrick hat seinen 40. Geburtstag noch nicht direkt vor sich, aber in Sichtweite. Auch ihm ist aufgefallen, dass das Publikum im Schnitt älter wird – mit ihm. So sehr, dass dieses Phänomen zum Gesprächsthema wurde. „Wir haben schon häufig unter gleichaltrigen Freunden darüber gesprochen: Feiern gehört für uns mit zum Lebensstil. Ich glaube nicht, dass man sich das verbieten lassen sollte, nur weil die Gesellschaft sagt: Jetzt bist du 30 oder 35, du darfst das nicht mehr.“ Dennoch macht sich Patrick Gedanken darüber. Vielleicht, weil es in seinen jüngeren Jahren so unüblich war mit Älteren konfrontiert zu werden.
Auch wenn er mit allen anderen Altersklassen im gleichen Club steht und die gleiche Musik hört: Etwas ist doch anders. „Man geht bewusster weg, auch nicht mehr jedes Wochenende. Nicht mehr diesen Marathon, von Freitag bis Montag ohne Pause und das jedes Wochenende. Das machen von den Älteren eigentlich nur Leute, die die Kurve nicht gekriegt haben. Aber mal richtig Gas geben, das ist schon ok.“
„Ich will’s nicht mehr erzwingen.“
Da klingt Zufriedenheit durch. Zufriedenheit, die Kurve gekriegt zu haben und zu sehen: Es ist nicht etwa so, dass man nur ein paar Jahre feiern kann, ohne sich kaputt zu machen. Und doch mischt sich etwas Wehmut unter die Zufriedenheit: „Ich will’s nicht mehr erzwingen. Ich bin eher bereit zu sagen: Wenn’s jetzt nicht der Tag, der Augenblick ist, dann halt nicht. Dieses aufgeregt sein vorm Weggehen, das fehlt mir schon ein bisschen. Es kommt in Phasen noch mal wieder, aber nicht zu oft und nicht allzu prägnant – leider.“
Freitag abends um acht nervös vor dem Spiegel stehen, zehn Mal den Plan zu verwerfen, was man anzieht, zwischendurch ein Dutzend Anrufe in Sachen Nachtplanung. Das totale Kribbeln vor dem Wochenende ist weg, es scheint den Jüngeren vorbehalten.
„Das geht aber nur in Berlin.“
Svenja (39) genießt das. „Im Sommer gehe ich gar nicht mehr nachts um die Häuser. Ich starte Sonntag nach dem Frühstück, mit meinen Freundinnen.“ Damit fehlt ihr keine Nacht und am Montag sitzt sie fit am Schreibtisch in ihrer Sparkasse in Mitte. Ist das Feierstyle in der Tradition des Frühschoppens nach dem Gottesdienst? Eine Afterhour ohne ein Davor. Svenja lacht: „Du solltest mich mal sonntags gegen Abend sehen, das ist echt Alarm!“ Das, schiebt sie noch hinterher, „geht aber nur in Berlin. Ich komme eigentlich aus Bielefeld und da würden sich die Leute nur das Maul zerreißen.“
Wir haben gefragt und gefragt und gefragt: Elektronische Musik, laut. Neue Bekanntschaften, mit Individualisten. Das sind die zwei Dinge, die Partygänger über 30 und 40 weiter in die Clubs ziehen. Darauf kommt es allen an.
„Plötzlich Oper, nur weil ich älter bin?“
„Musik ist ein integraler Bestandteil meines Lebens,“ sagt Patrick. „Tanzen macht Spaß. Leute kennen lernen macht Spaß. Und vor allem: Welche Alternativen dazu tun sich auf? Plötzlich Oper, nur weil ich älter bin? Und wenn schon, man kann ja beides machen: Oper und Feiern.“
Die „Generation Techno“ scheint nicht zu existieren. Dafür sind schon zu viele Generationen in die Clubs gekommen – und geblieben. Die stört es wenig, wenn andere schreiben, Techno sei tot. „Wer von denen war überhaupt schon mal in einem Club?“, fragt Svenja. Wohl die wenigsten. Und vielleicht ist das ja auch gut so.
Philippe La PlastiQue - 16. Sep, 10:43