Montag, 13. Juni 2005

Demoversand ist Vertrauenssache

Der Unterschied zwischen Recht haben und Recht bekommen: Über die Frage, wie versandtes Demomaterial gegen unbefugte Verwertung geschützt werden kann, haben wir alle schon jede Menge Beiträge in Fachzeitschriften oder gar ganze Bücher gelesen. Dennoch ist dieses Thema der unangefochtene Dauerbrenner fast aller Musikschaffenden, denn viele Fragen bleiben offen.

In der Branche halten sich hartnäckig Fehlinformationen, und die wichtigste Betrachtung bleibt meist vollkommen außen vor: Was nützt es schon, absolut wasserdichte Beweise über geklaute Musik in den Händen zu halten, wenn man seine Forderungen anschließend nicht durchsetzen kann? Alle Betrachtungen, die lediglich die Rechtslage darstellen, sind bei Streits zwischen wirtschaftlich gut gestellten Unternehmen der Branche zwar anwendbar, berücksichtigen aber nicht die spezielle Lage des Hobby-Musikers, der oft schon an der ersten Anwaltsrechnung scheitert.

Bei der Klientel, die sich auf zwielichtige Weise an unrechtmäßig erworbener Musik bereichert, handelt es sich zudem um recht ausgebuffte oder sogar kriminell handelnde Zeitgenossen. Und diese Leute wissen natürlich, was ihnen droht und entwickeln oft eigenartige Strategien, die es zu kennen lohnt, um ihnen einerseits nicht auf den Leim zu gehen, andererseits aber auch abschätzen zu können, welcher Aufwand des Titelschutzes sich lohnt und was man besser gleich bleiben läßt.

GEMA
Ein oft gehörter Tip besagt, daß man einen Musiktitel durch die GEMA-Anmeldung schützen sollte. Dieser Tip ist - pardon - grober Unsinn. Die GEMA ist eine Inkassogesellschaft, die Komponisten, Textdichtern und Musikverlagen zu Einnahmen aus mechanischer Verfielfältigung und öffentlicher Aufführung verhilft. Nur, wer Aussicht auf Veröffentlichung eines Tonträgers, regelmäßige Rundfunkeinsätze oder Auftritte hat, bei denen er eigene Kompositionen spielt, profitiert von der GEMA, sollte dort Mitglied werden und seine Titel mit Hilfe des grünen Werkanmeldebogens anmelden. Zwar wird der Titel damit aktenkundig, jedoch enthält die Anmeldung lediglich den Namen des Komponisten, Textdichters und eventuell des Verlags sowie den Titel des Werkes und dessen Dauer. Welche Musik sich hinter diesen Namen versteckt, ist dagegen nicht zu entnehmen, und daher ist die GEMA-Anmeldung aus Sicht des rechtlichen Titelschutzes weniger wert als das Papier, auf dem sie steht.

Die GEMA verfügt zur Durchsetzung ihrer Ansprüche über eine eigene Rechtsabteilung, die durchaus einmal eine Hilfe für den Komponisten eines Werkes sein kann. Allerdings ist dies die große Ausnahme, denn in der Regel ist der Gegner des Streits ebenfalls GEMA-Mitglied, und aus einem Streit zweier Mitglieder hält sich die GEMA verständlicherweise heraus.

Urheberschutz
Damit ein Musikstück geschützt ist, muß es nicht bei einem Notar hinterlegt und auch nicht wie beispielsweise ein Patent irgendwo angemeldet werden. Nach § 2 des Urhebergesetzes sind Werke der Musik nämlich gesetzlich geschützt, und dieser Schutz des geistigen Eigentums eines Urhebers ergibt sich unmittelbar durch seine Entstehung. Das angestrebte Ziel eines Musikers besteht also nicht im Schützen eines Titels an sich, sondern im Nachweis, daß es sich beim fraglichen Titel wirklich um seine eigene Komposition handelt. Der berühmte selbstadressierte Einschreibebrief könnte zumindest als Beweis dienen, daß es den Titel zum Datum des Poststempels schon gab, ist allerdings wegen der Manipulationsmöglichkeiten vor Gericht problematisch. Besser geeignet wäre in dieser Hinsicht das Verteilen je eines Tonträgers an alle Leute des Bekanntenkreises, die dann wenigstens später als Zeugen aussagen könnten. Auch eine notarielle Prioritätsverhandlung wäre denkbar, bei der Noten oder ein Tonträger des Werks einem Notar unter Feststellung des Datums übergeben wird. Die Beweissicherheit dieser Methode ist die höchste. Wenn man es jedoch ganz genau nimmt, beweisen alle diese Verfahren lediglich, daß es das betreffende Werk zum betreffenden Zeitpunkt schon gab. Nicht aber, daß es vom Kläger stammt, schließlich könnte er es selbst ja auch geklaut haben.

Stolperfallen
Der durch die beschriebenen Maßnahmen erzielte Beweis steht folglich auf wackligen Beinen, und die Prüfung der Urheberschaft kann durchaus überraschende Ergebnisse hervorbringen. Beispielsweise gelang es den Gutachtern bei einigen Streitfällen zu beweisen, daß der streitgegenständliche Werkteil schon vor langer Zeit in der Klassik verwendet wurde. Als Konsequenz wird das Werk als "Gemeingut" eingestuft, denn die Urheberrechte erlöschen 70 Jahre nach dem Tod des Komponisten. Und so kann in einem solchen Prozeß nicht bewiesen werden, daß die strittige Melodie auf der Komposition des Klägers basiert, sondern sie könnte ebensogut aus der klassischen Musik stammen.

Die Wahrscheinlichkeit, ein anderes Werk zu finden, das ähnlich genug klingt, ist auch im Bereich der Popmusik recht groß. Speziell dann, wenn sich es sich beim geklauten Werkteil nicht um die ganze Produktion, sondern nur um die Melodie handelt. Ins Extrem führt die schon oft geäußerte Ansicht, daß ohnehin alle Möglichkeiten zur Komposition einer Pop-Melodie bereits ausgeschöpft sind. Theorien wie beispielsweise die von Hanser-Strecker gehen von statistischen und kombinatorischen Zusammenhängen aus, betrachten die Tatsache, daß von den zwölf Halbtönen meist nur fünf benutzt werden (Pentatonik) und berücksichtigen die typischen Songstrukturen sowie die Singbarkeit einer Melodie. Während solche Theorien an sich hoch interessant sind, könnten sich schwarze Schafe der Branche aber dieses Wissen zunutze machen und widerlegen, daß es sich beim strittigen Titel tatsächlich um das geistige Eigentum des Klägers handelt.

Brachiale Methoden
In den meisten Fällen kommt es aber gar nicht so weit, daß die oben geschilderten Prüfungen erfolgen. Gehen wir davon aus, daß ein um seine Musik beraubter HousePool-Leser höchstwahrscheinlich Hobbymusiker und nicht sonderlich reich ist, scheitert er nämlich bereits an einer viel früheren Hürde: Dem Geld. Zwar zahlt die Gerichts- und Anwaltskosten letztlich der Verlierer des Prozesses, bis zum Zeitpunkt des Urteils müssen diese aber vorgestreckt werden. Selbst wenn wir annehmen, eine "absolut sichere" Beweislage (sofern es die überhaupt geben kann) vorliegen zu haben, wird der Musiker im Streit gegen eine Plattenfirma häufig auf eine Klage verzichten. Während es bei kleinen Labels oft um so geringe Stückzahlen geht, daß ein Rechtsstreit ohnehin nicht lohnt, greifen größere Firmen gern auf den beliebten Trick zurück, den Streitwert künstlich zu erhöhen. Proportional wachsen nämlich auch Anwaltshonorare und Gerichtsgebühren, und so kann sich der Musiker gar nicht erst einen Anwalt leisten, geschweige denn die erste Gerichtsinstanz.

Ein anderer Aspekt sind kleine Labels am Rande der Liquidität oder durch Partnergesellschaften im Ausland künstlich in diese Situation gestellte deutsche Kleinstbüros, gegen die man zwar problemlos ein rechtskräftiges Urteil erwirken könnte, hinterher aber auf den entstandenen Kosten sitzen bliebe, weil nichts mehr zu holen ist. Solche Fälle sind übrigens keine Seltenheit, und selbst die größten Major-Companies verzichten in einem solchen Fall auf eine Klage, weil sie wissen, dass sie aussichtlos sein wird.

Keine Chance gegen Vertrauen
Insbesondere, wenn man die Situation des "kleinen" Musikers betrachtet, der gegen einen großen Konzern vorgehen will und unterstellt, daß letzterer mit allen Wassern gewaschen ist, muß man zu dem Schluß kommen, daß der Musiker ohnehin keine Chance hat, sein Recht wirklich durchzusetzen. Daher ist es keine schlechte Idee, von vornherein auf notarielle Hinterlegung oder den Einschreibebrief zu verzichten, denn es verkommt zum sinnlosen Unterfangen. Statt dessen sollte man das Problem von einer anderen Seite aus angehen. Im Verhältnis zwischen dem Musiker und seinem Vertragspartner, also beispielsweise einem Produzenten oder einer Schallplattenfirma, ist gegenseitiges Vertrauen ohnehin wichtig, denn auch nach Abschluß eines Vertrags wird ohne Vertrauen wenig laufen. Zwar kann man vertraglich prozentuale Umsatzbeteiligungen vereinbaren, aber wer garantiert, daß sich der Vertragspartner überhaupt für hohe Verkaufszahlen einsetzt? Mehr noch: Wer garantiert, daß er später überhaupt zahlt? Auch hier stünde man schnell wieder vor der Notwendigkeit rechtlicher Schritte.

Für den Musiker bedeutet dies, möglichst einen Partner seines Vertrauens zu finden. Der von der Musik des Künstlers begeisterte freie Produzent, der den Künstler unter Vertrag nimmt und mit seinen Kontakten wiederum an Plattenfirmen herantritt, wird nicht nur viel unwahrscheinlicher Missbrauch mit der Musik treiben, sondern verspricht zudem wesentlich größere Erfolgschancen als ein zielloser Flächenabwurf von Demo-CDs an unbekannte Firmen.

Horrorgeschichten
Zum Glück besteht unsere Branche nicht ausschließlich aus schwarzen Schafen, wie man vielleicht annehmen mag, nachdem man manche Horrorgeschichten gehört hat. Gerade bei kleinen Labels ist oft der Geist der Musik noch so erhalten, wie wir alle ihn uns wünschen, und an Musikklau denkt dort sicher niemand. Große Plattenfirmen ertrinken förmlich in einer Flut von Musikangeboten, so daß sie alles andere im Kopf haben, als sich ausgerechnet an der Musik eingesandter Demos zu bereichern.

Es darf auch nicht vergessen werden, dass viele der haarsträubenden Geschichten von erfolglosen Musikern frei erfunden sind, um bei den Freunden angeben zu können: "Eigentlich wäre ich ja schon längst ein Star." Hier sollte jeder einmal kritisch überlegen, ob es glaubhaft ist, was man so hört. Es gibt auch Musik, die einfach zu schlecht ist, um wirklich geklaut werden zu können.

Wie oft es wirklich vorkommt, dass Musik unrechtmäßig verwendet wird, ist schwer feststellbar. Kann ein Komponist seine Urheberschaft nicht nachweisen, wird er sich sicher nicht für gerichtliche Schritte entscheiden. Und wenn er sie nachweisen kann, werden in der Regel außergerichtliche Schritte angestrebt, die oft auch erreicht werden. Kommt es nicht zu einer Einigung, sehen viele Musiker aus den schon beschriebenen Gründen häufig von einer Klage ab. So kommt es, dass derartige Fälle so gut wie nie wirklich vor Gericht landen.

Steine in den Weg
Das soll natürlich nicht heißen, dass man keinem dieser schwarzen Schafe begegnen kann. Wenn es auch nicht viele sind, so gibt es sie durchaus, und von den wenigen sind einige sogar branchenweit bekannt und finden aus dem Lager naiver Newcomer dennoch immer wieder Opfer, die sie um ihre Musik berauben können. Hier hilft es, den gesunden Menschenverstand einzuschalten. Ein nur mit Hilfe einer einzigen Soundkarte produzierter Techno-Track, der noch dazu das erste Werk eines absoluten Newcomers ist, wird nur sehr unwahrscheinlich vom Fleck weg und ohne einen einzigen Änderungswunsch auf einen Sampler in 200.000er Auflage kommen können. Viel wahrscheinlicher ist, daß der Track in Spanien schwarz auf einem House-Sampler landet und man auf eine Lizenzzahlung warten kann, bis man schwarz wird.

Gehen wir misstrauisch davon aus, daß jemand, der mit unserer Musik in Kontakt kommt, ein potentieller Dieb ist, können wir ihm einige Steine in den Weg legen. Warum muß es beispielsweise gleich eine CD sein, um ein Demo vorzustellen? Die gute alte Cassette taugt genauso zum Hören und birgt aufgrund ihrer eingeschränkten Qualität viel weniger Gefahr, Opfer unlauterer Kopieraktionen zu werden. Auch der Anfrage, ob man den Dance-Titel nicht gleich nochmal als Instrumentalversion schicken könne, wobei das Stummschalten der Gesangsspur reicht, sollte man eher skeptisch gegenüberstehen. Instrumentalversionen benötigen logischerweise eine neue Melodiespur, mit diesem Trick an Land gezogene Playbacks hingegen werden von abgebrühten "Verwertern" gern illegal für eigene Sänger genutzt.

Ganz neu ist die Idee der Kennzeichnung durch sogenannte Wasserzeichen, mit denen die Herkunft einer Musikaufnahme nachvollzogen werden kann. Diese Verfahren befinden sich derzeit jedoch noch im Entwicklungsstadium.

Fazit
Die Chancen eines Hobbymusikers, im Falle unerlaubt genutzter Musik an sein Recht zu kommen, sind trotz klarer Rechtslage meist nicht sehr hoch. Viele oft gelesene Tips führen in der Praxis nicht zum Erfolg und können deshalb von vornherein unterbleiben. Dagegen lohnt es sich, mit seinen Partnern ein Vertrauensverhältnis aufzubauen, von dem man auch in anderen Belangen deutlich mehr profitiert als durch die Vorbereitung auf ohnehin nicht durchführbare Gerichtsprozesse. Und wenn man doch einmal Opfer des Musik-Klaus wird, ist es nach Abwägung der Chancen manchmal besser, zähneknirschend nichts zu unternehmen, als für einen aussichtslosen Rechtstreit noch Geld hinterherzuwerfen. Hier hilft notfalls auch eine kleine Änderung in der persönlichen Einstellung: Die eigene Musik wird im Laufe der Zeit nämlich immer besser, und statt sich zu ärgern, macht man lieber einen neuen Song und freut sich, daß der alte - wenn auch unbezahlt - wenigstens schon einmal auf einer CD war.

Bleibt nur der bittere Nachgeschmack, den Übeltäter ungestraft entkommen zu sehen. Damit ist dieses Fazit gleichzeitig ein Appell an alle, die genug Beweise in der Hand und auch rechtliche Möglichkeiten haben. Schon aus Prinzip sollte man dann nämlich unlautere Machenschaften unbedingt verfolgen. Auch, wenn privatrechtlich nicht viel zu holen ist, sollte man zumindest strafrechtlich gegen die Urheberschaftsverletzung vorgehen. Dabei ermittelt nämlich der Staatsanwalt, und der ist kostenlos.

von Thomas Sandmann

Quelle: Housepool

Zum Autor: Thomas Sandmann

Dipl.-Ing. Thomas Sandmann ist Musikproduzent und Inhaber seines eigenen Medienunternehmens "master orange entertainment". Hier produziert er neben diversen Dance- und House-Projekten hauptsächlich Mainstream, von deutschen Rockbands bis hin zur klassischen Musik. Seit 22 Jahren in der Branche, ist er gleichzeitig Vertragspartner gegenüber Künstlern und Plattenfirmen, Verleger und Inhaber eigener Labels und blickt damit auf entsprechend langjährige Erfahrungen zurück.

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